Im Rahmen des Open Distributed Processing [ISO N4888-2] erarbeitet ISO in Verbindung
mit anderen Standardisierungsorganisationen ein allgemeines Referenzmodell
zur Entwicklung verteilter Anwendungen in offenen, heterogenen Systemwelten.
In [GEIH 91] werden die Ziele von ODP wie folgt charakterisiert:
Während das OSI-Referenzmodell ausschließlich den Aspekt der Kommunikation
zwischen heterogenen Systemen behandelt, umfaßt ODP darüber hinaus alle
Belange, die für die Funktion verteilter Anwendungen notwendig sind
[HEAB 93].
Dies beinhaltet beispielsweise Fragen der Modellierung von Softwarekomponenten,
die Festlegung der Schnittstellen von Programmodulen sowie die Entwicklung von
Sicherheits- und Managementkonzepten.
Ein derart umfassender Ansatz erfordert die Einbeziehung einer Vielzahl von
Teildisziplinen der Informatik, angefangen bei den Methoden zur formalen
Spezifikation über den Entwurf von Betriebssystemen und Programmiersprachen
bis hin zum Software Engineering.
Die zahlreichen positiven Erfahrungen, die sowohl auf diesen Gebieten, als auch
beim Netzmanagement-Informationsmodell der ISO mit dem objektorientierten
Ansatz gemacht worden sind, ließen ihn zum Modellierungsparadigma auch für
ODP werden.
Viewpoints und Aspects einer verteilten
Anwendungvwpasp
Das Prinzip des ,,divide et impera``, die Aufgliederung größerer Probleme in zahlreiche kleinere und übersichtliche Teile, welches bereits bei der Entwicklung des OSI-Referenzmodells mit Erfolg eingesetzt wurde, führt zur Aufteilung der ODP-Thematik in Viewpoints und Aspects (Abbildung 3.1).
In erster Linie sind die fünf Viewpoints zu nennen, welche jeweils spezifische Belange des Gesamtkomplexes betonen und von anderen Fragestellungen abstrahieren:
Viewpoints sind eine strukturbetonte Sicht auf eine verteilte Anwendung,
wobei die Viewpoints Enterprise und Technology eine
,,top-down`` beziehungsweise ,,bottom-up``-Betrachtungsweise der Vorgaben
darstellen:
Während der Enterprise Viewpoint die Anforderungen an die verteilte
Anwendung im Unternehmenskontext beschreibt, listet der Technology Viewpoint
die bereits existierende Hard- und Softwarebasis auf. Beides sind
Gegebenheiten, die den Rahmen abstecken, in dem sich die Entwicklung der
verteilten Anwendung bewegen muß.
Demgegenüber stellen die Viewpoints Information, Computation
und Engineering Empfehlungen für den eigentlichen
Entwicklungsprozeß im Sinne des Software Engineerings dar (Abbildung 3.2).
Funktionale Charakteristika einer verteilten Anwendung hingegen werden durch sieben ODP-Aspects repräsentiert:
Das ODP-Referenzmodell stellt, im Gegensatz zum OSI-Referenzmodell, einen ,,top-down``-Ansatz für verteilte Anwendungen dar und reflektiert die Bemühungen, die das Gebiet des Software-Engineering in den vergangenen Jahren erfahren hat. Das OSI-Referenzmodell stellt nur einen Teilbereich von ODP dar; den der Kommunikation.