Einige der in OSI explizit definierten Managementdienste (Object Management Function, MKMF) sind in CORBA bereits implizit vorhanden. Als eine der Stärken von CORBA existieren vielfältige Abbildungsmechanismen der Notation zur Beschreibung von Managementobjekten auf sämtliche relevanten Programmiersprachen: Den mehr als einem halben Dutzend standardisierten Language Mappings hat beispielsweise das OSI-Management lediglich die Unterstützung von zwei Programmiersprachen (C, C++) entgegenzusetzen. In jüngster Zeit ist außerdem eine zunehmend engere Verflechtung von ODP und CORBA festzustellen, was die enge Kopplung zwischen einem abstrakten Rahmenwerk für verteilte Anwendungen und einer konkreten Implementierungsarchitektur fördert. Zwei Beispiele illustrieren dies: Zur Spezifikation der ODP Trading Function [#!iso13235!#] existiert in CORBA der mittlerweile standardisierte Trading Service. Die OMG Interface Definition Language ist seit 1997 im Rahmen der ODP-Normierung zu einer ITU-Richtlinie sowie zu einem ISO-Standard avanciert [#!itux920!#]. Der vermutlich wichtigste Vorteil von CORBA beruht jedoch auf der Tatsache, daß sowohl Nutz- als auch Managementdaten auf einheitliche Art modelliert und implementiert werden und somit das gesamte Instrumentarium von Software-Engineering-Methoden und -Werkzeugen auch für das Management genutzt werden kann. Wir werden davon im weiteren Verlauf dieser Arbeit regen Gebrauch machen.
Während TINA im Bereich der Telekommunikation positioniert wird, ist der konzeptionelle Mehrwert dieser Architektur im Vergleich zu ODP/CORBA zur Zeit umstritten, da ein wesentlicher Anteil von TINA von eben diesen beiden Architekturen stammt. Hinsichtlich der Marktakzeptanz von TINA ist festzustellen, daß diese zumindest für einen kurz- und mittelfristigen Zeitraum äußerst fraglich ist: Die zentrale Ursache hierfür ist in der Tatsache zu sehen, daß der Mehrwert selbst einer ausgereiften Architektur wie TMN erst seit relativ kurzer Zeit von den Telekommunikationsgesellschaften anerkannt ist und gegenwärtig hauptsächlich eine Migration von proprietären hin zu TMN-basierten Managementsystemen erfolgt. Ferner sind erste TMN-Managementsysteme erst seit kurzer Zeit auf dem Markt. Es bleibt daher offen, inwiefern die Betreiber von Telekommunikationsnetzen die Bereitschaft aufbringen werden, innerhalb eines kurzen Zeitraums eine weitere kostspielige Migration ihrer Managementsysteme durchzuführen.
Die zu TINA gemachten Anmerkungen treffen in verstärkter Form auch auf ODMA zu, da diese beiden Architekturen von ihrer Ausrichtung nahezu identisch sind: Nicht zuletzt beruht auch ODMA zu einem nicht unbeträchtlichen Anteil auf OSI/TMN, RM-ODP und CORBA.
WBEM bleibt gegenwärtig seinem Anspruch schuldig, für unternehmensweites Management eingesetzt zu werden, da diese Architektur einerseits weitestgehend auf PC-Betriebssysteme fokussiert ist und andererseits (mit Ausnahme des Internet-Managements) keine tragfähigen Pläne vorliegen, fremde Managementarchitekturen zu integrieren. Dem Argument einer breiten Unterstützung von WBEM durch zahlreiche Hersteller ist ebenfalls mit Vorsicht zu begegnen, da insbesondere große Hersteller oft in vielen (oft konkurrierenden) Konsortien mitarbeiten, um mit Gewißheit Produkte für diejenige Architektur anbieten zu können, die sich letztendlich durchsetzen wird. Dies gibt andererseits auch Aufschluß darüber, daß auch etablierte Hersteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit Bestimmtheit sagen können, welche Architekturen für das integrierte Management unternehmensweiter Netze am aussichtsreichsten sind. Problematisch ist ferner der sprunghafte Austausch maßgeblicher Komponenten innerhalb ausgesprochen kurzer Zeiträume.
Um den momentan sehr unübersichtlichen Bereich der Rahmenwerke für das Management etwas anschaulicher darzustellen, haben wir die in den vorigen Abschnitten besprochenen Managementarchitekturen in Anlehnung an die Vier-Felder-Matrix der Gartner Group in Abbildung hinsichtlich ihres gegenwärtigen Standes sowie möglicher Entwicklungstendenzen klassifiziert, um ihre jeweilige Relevanz zumindest mittelfristig zu prognostizieren. Der Nutzen eines solchen Vergleichs wird ebenfalls durch folgendes Argument unterstrichen: Die bisherigen Ausführungen implizieren eine Aufteilung des Marktes für Managementarchitekturen auf zwei bisher nahezu disjunkte Bereiche, nämlich die der Daten- sowie der Telekommunikation. Mit dem Zusammenwachsen der Daten- und Telekommunikation fallen die beiden Anwendungsbereiche zukünftig zusammen. Somit sind sämtliche bisher besprochenen Architekturen potentielle Konkurrenten auf demselben Marktsegment.