Aufgrund unserer bisherigen Ausführungen zu CORBA kann der Eindruck
entstehen, daß CORBA (insbesondere im direkten Vergleich mit dem
OSI/TMN-Management) einige für das Management wichtige Eigenschaften
fehlen. Hierbei muß jedoch beachtet werden, daß bisher lediglich die
Basisinfrastruktur von CORBA im Mittelpunkt unserer Betrachtungen
stand, und für eine umfassende Bewertung ein Blick auf die im Rahmen
der Object Management Architecture (OMA) bereitgestellten
(Management-) Dienste erforderlich ist. Ferner besitzt das
OSI-Management einen Entwicklungsvorsprung von ungefähr zehn Jahren,
sodaß sein Umfang an Managementdiensten gegenwärtig objektiv
größer als der von CORBA ist. Wir werden im folgenden aufzeigen,
daß sowohl die Differenz in bezug auf vorhandene Dienste nicht (mehr)
besonders groß ist, als auch demonstrieren, inwiefern einige der oben
angesprochenen Nachteile von CORBA durch den Einsatz entsprechender
Dienste aufgewogen werden. Hierbei ist zu beachten, daß Dienste
einer Kategorie jeweils
Eigenschaften von anderen Diensten derselben oder einer
darunterliegenden Kategorie erben können. Somit ist es beispielsweise
möglich, aus bestehenden CORBAservices ,
CORBAfacilities und
CORBAdomains mit vertretbarem Aufwand neue
Managementfunktionalität zu realisieren. Die eigentlichen verteilten
Management-Anwendungen stützen sich auf die in den drei oben
genannten Kategorien definierten Dienste ab und erben somit bereits
wichtige Teile ihres Dienstumfangs. Wir werden zunächst einige
allgemeine CORBAservices, die für alle Klassen verteilter Anwendungen
gelten, vorstellen und in Beziehung zu den entsprechenden Systems
Management Functions setzen. Anschließend gehen wir auf spezifische
CORBA-Managementdienste ein.
Wie bereits oben erwähnt wurde, bietet CORBA (u.a. mit dem
Lifecycle Service) die
Möglichkeit, zur Laufzeit neue Objekte in das System zu integrieren
bzw. nicht mehr benötigte Objekte zu löschen. Hinsichtlich der
Instantiierung von Objekten gilt jedoch die in objektorientierten
Systemen verbreitete Annahme, daß sowohl die Instantiierung als auch
die Löschung von Objekten nur bei Instantiierung bzw. Terminierung
des Gesamtsystems geschehen, also verhältnismäßig selten.
Angesichts der Tatsache, daß im Management zahlreiche kurzlebige
Managementobjekte existieren (z.B. Prozesse im Anwendungsmanagement,
Teilnehmerverbindungen im Telekommunikationsmanagement), ist dies für
das Management nicht sinnvoll. Ein daraus resultierendes Problem
besteht darin, daß in CORBA bisher kein allgemeiner Mechanismus zur
Instantiierung von Objekten existiert und pro Objektklasse jeweils
eine sogenannte Factory benötigt wird. Für das Löschen, Kopieren und Migrieren von
Objekten existieren hingegen generische Dienste.
Der oben angesprochenen Problematik, daß CORBA-konforme Objekte über Objektreferenzen adressiert werden und a priori keine (hierarchischen) Namen besitzen, wird durch den Naming Service begegnet. Somit können Objekte nicht nur einen Namen zugewiesen bekommen, sondern auch durch die Definition von Namenskontexten auch hierarchisch angeordnet werden. Allerdings kann der Objektname nicht nur während der Laufzeit des Objekts geändert werden, sondern es können zu einem Objekt auch mehrere Namen existieren. Somit entfällt einerseits die Notwendigkeit einer Enthaltenseinshierarchie, andererseits ist gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt, inwiefern die flexible Namenszuteilung Nachteile für das Management bringt.
Durch die Verteilung und/oder Replikation wichtiger
Managementfunktionalität ist es prinzipiell möglich, CORBA-basierte
Managementsysteme skalierbar zu machen, d.h. so zu implementieren,
daß die Verarbeitungs- und Antwortzeiten auch für eine sehr große
Zahl von Systemen in akzeptablen Grenzen bleiben. Mangelnde Skalierbarkeit aufgrund einer
Polling-Strategie ist nicht zuletzt einer der Hauptkritikpunkte an
SNMP-basierten (siehe Abschnitt
) Managementsystemen.
Durch den standardisierten Event
Service zur Zustellung
asynchroner Ereignismeldungen bietet CORBA demgegenüber gute
Möglichkeiten, ereignisgesteuerte Managementstrategien zu
realisieren. Hierbei werden Sender und Empfänger durch Event
Channels voneinander entkoppelt. Wir werden
anhand eines von uns entwickelten Prototypen in Abschnitt
detailliert auf diese Mechanismen eingehen. An
dieser Stelle sei jedoch bemerkt, daß die Filtermöglichkeiten
gegenwärtig noch nicht so weit entwickelt sind wie bei der
vergleichbaren OSI Event Report Management Function.
Der OMG Security Service bietet leistungsfähige Mechanismen
zur objektbezogenen Authentifizierung, Zugriffskontrolle und
Protokollierung, der den OSI-Sicherheitsdiensten gleichwertig ist.
Die Modellierung von Beziehungen zwischen einzelnen Objekten kann mit
dem Relationship Service so effektiv geschehen, wie es im
OSI-Management mit der Relationship Management Function getan
werden kann. Die Dienste Property und Query in Verbindung
mit dem Interface Repository sowie dem DII bieten ausgezeichnete
Möglichkeiten zur Bereitstellung und Abfrage von Metainformationen,
die über den Umfang der in Abschnitt
angesprochenen OSI Management Knowledge Management Function
hinausgehen. Als erster Schritt hin zu einem CORBA-basierten
Abrechnungsmanagement kann der Licensing Service angesehen
werden, der objekt- und verursacherbezogene Nutzungsstatistiken
führt. Die Möglichkeit, Managementaktivitäten
transaktionsorientiert auszuführen, wird durch den Transaction
Service angeboten. Der Mehrwert eines solchen Dienstes für
das Management ist jedoch bisher noch nicht abschließend
geklärt. Weitere grundlegende CORBAservices befassen sich mit
persistenter Speicherung, Nebenläufigkeit, sowie
der Bereitstellung eines einheitlichen Zeitbegriffs in CORBA-basierten
Systemen.
Mit den CORBAfacilities und den CORBAdomains existiert der konzeptionelle Rahmen, um Managementdienste in CORBA einzuführen. Die konkrete Ausgestaltung dieser Dienste ist aber heute nur teilweise vorhanden, eine Standardisierung durch die OMG lediglich in wenigen Fällen bereits erfolgt.
Treibende Kraft beim Entwurf von CORBAfacilities für das Systemmanagement, die für eine große Zahl CORBA-basierter Systeme gelten, war die Systems Management Working Group der OpenGroup. Im Rahmen einer vorläufigen Spezifikation [#!xopen95a!#], die unter dem Namen X/Open Common Management Facilities (XCMF) bekanntgemacht und von der OMG im November 1996 angenommen wurde, sind unter anderem folgende Dienste definiert worden:
Obwohl die Systems Management Working Group neben der abschließenden Standardisierung dieser Dienste noch diverse weitere Systemmanagementdienste in die OMG-Referenzarchitektur einbringen wollte, muß man diese Bemühungen im nachhinein als gescheitert ansehen: Seit dem Erscheinen dieser ersten Spezifikation sind keine weiteren Aktivitäten der Arbeitsgruppe mehr bekanntgeworden. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Paradoxerweise hat vermutlich der sehr frühe Erscheinungstermin dieser Dienste ihre endgültige Spezifikation verhindert, da zum damaligen Zeitpunkt von den jetzt vorhandenen 18 CORBAservices lediglich vier Dienste verabschiedet waren. Somit wurden in der Zwischenzeit durch die fortschreitende Normierung entsprechender CORBAservices einige XCMF-Dienste wie der Managed Sets oder der Instance Management Service überflüssig. Für die anderen XCMF-Dienste (wie z.B. den Policy Management Service) ist zum Teil auch heute noch unklar, auf welchen CORBAservices diese Dienste aufsetzen können. Somit wurden diese auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau definiert, ohne daß das hierzu nötige Fundament vorhanden war. Die zwischenzeitliche Verschmelzung von X/Open mit der Open Software Foundation mag ebenfalls dazu beigetragen haben, daß eine Neuausrichtung der daraus hervorgegangenen Opengroup nicht mehr das Systemmanagement beinhaltet. Die äußerst restriktive Informationspolitik der X/Open, wonach der Zugang zu relevanten Dokumenten lediglich institutionellen Mitgliedern vorbehalten ist, hat das Übrige zur mangelnden Verbreitung beigetragen. Dies alles hat dazu geführt, daß bis heute der dem Systemmanagement vorbehaltene Teil der CORBAfacilities-Spezifikation [#!cfac98!#] nur ein knappes Dutzend überblicksartig formulierte Seiten umfaßt, die zudem aus dem Jahre 1995 stammen.
Im Bereich der CORBAdomains gehen seit der OMG-Restrukturierung im Jahre 1995 die Standardisierungsaktivitäten für Managementdienste ausschließlich von der Telecommunications Domain Task Force aus. Gegenwärtig befaßt sich diese Gruppe mit der Standardisierung des Notification Service, der den Event Service um managementspezifische Filtermöglichkeiten für asynchrone Ereignismeldungen erweitert. Als Maßstab dient hier die OSI Event Report Management Function. Der Notification Service bietet neben dem Versehen von Meldungen mit Zeitstempeln flexibel konfigurierbare Ereignisfilter, die denen des OSI-Managements ebenbürtig sind. Bei Bedarf kann darüberhinaus die persistente Speicherung von Ereignismeldungen in Logs veranlaßt werden. Die Definition dieses an der OSI Log Control Function angelehnten Logging Service befindet sich jedoch noch in einem sehr frühen Stadium.
Weitere angedachte Dienste der OMG Telecom DTF beinhalten die Interoperabilität von CORBA mit Intelligenten Netzen, sowie die Schaffung von Übergängen zwischen CORBA und TMN. Die schon begonnenen Arbeiten zum Topology Service, dessen Ziel in der Bereitstellung und Modifikation topologischer Beziehungen zwischen Managementobjekten bestand, wurden im Dezember 1997 zurückgestellt, da nicht abschließend geklärt werden konnte, inwiefern neueste Erweiterungen von CORBA (Portable Object Adapter, Meta-Object Service) bereits Teile der Funktionalität des Topologiedienstes enthalten.